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Küsten in Südwesten und dunkle Nächte

Die letzten Tage habe ich mich manchmal gefühlt wie ein Getriebener, der möglichst viel sehen und auf Sensor bannen wollte. Eine gewisse Form der Reizüberflutung sozusagen. Und manchmal sagt der Körper dann Stop und fordert sich die nötige Ruhe, der er auch braucht. So vorgestern Abend geschehen. Den ganzen Tag war ich auf Achse, immer schön Sonnencreme aufgetragen und meistens eine Kappe aufgehabt. Erst in Filitosa, einer Stätte mit peruhistorischen Funden, darunter etliche Menhire, dann auf Stadtbummel in Sartène und abends dann in Campomoro an der Cala Genovese, einem wunderbaren Küstenabschnitt mit einem Felsen, der je nach Blickrichtung einem Delfin oder dem Lilienwappen der französischen Valois Könige gleicht.

Genau genommen abends zum Sonnenuntergang bis in die Nacht für die Milchstraße.

Insgesamt war das für meine Haut und den Organismus, der mit dem isländischen Sommer ja eine derartig hochstehende und knallende Sonne nicht gewöhnt war, wohl deutlich zu viel. Abends lag ich frierend bei 25 Grad Außentemperatur im Schlafsack. Gestern hatte ich den Eindruck, dass es wieder geht und bin nach Zonza ins Bavella Gebiet gefahren. Dort angekommen, habe ich aber gemerkt, dass ich mich nach wie vor schlapp fühle und daher entschlossen, die nächsten 1 1/2 Tage sehr ruhig anzugehen. Nachts wieder Frösteln, das mit Schweißattacken wechselte.H

Heute merke ich, dass die Ruhe gut tut. Im Laufe des Tages ist es deutlich besser geworden. Und so nutze ich diese Zeit zum Schreiben dieses Blogartikels und zum Nacharbeiten meines Reisetagebuches.

Und gleichzeitig ist das vielleicht auch eine Lektion zu mehr Gelassenheit. Es kommt irgendwie, wie es kommt und das Beste ist, es genau so zu nehmen.

"Versuche nichts zu erzwingen, lass das Leben ein tiefgreifendes Loslassen sein. Erkenne, dass Gott jeden Tag Millionen Blüten öffnet, ohne die Blumen dazu zu zwingen." Bhagwan

Alles geht im Leben nicht. Den wunderbaren Sonnenuntergang mit Wolken, die dem Himmel eine schöne Dramatik geben und wenig später ein wolkenloser Himmel, der den Blick auf die Milchstraße optimal ermöglicht. Beides nahezu zeitgleich schließt sich aus und daher ist es gut, sich auf das zu Fokussieren, was einem Mutter Natur anbietet und es zu genießen. Den Duft der Wälder, die salzige Luft am Meer, das frische Kühle Nass in den Bergen. All das sind mehr als genug Gründe, einen Moment zu mit allen Sinnen und mit Freude zu erleben.

Diese Lektion hat mein Kopf verstanden und dennoch ist es Arbeit, sie jeden Tag aufs Neue für sich anzunehmen.

Die Küsten sind so ein Beispiel dafür, kindliche Freude neu zu entdecken. In den Steinen kann man allerorten Fabelwesen oder Tiere erkennen, so außergewöhnlich sind die Formen, die das Tafoni Gestein annehmen kann.  Es gleicht in der Farben einem rötlichen Sandstein bei uns, ist dabei aber deutlich fester und erinnert diesbezüglich eher an Granit.

In Capu di Euro findet sich am Strand eine Kapelle der etwas anderen Art. Ich würde es eher als eine religiös-spirituelle Schutzhütte, gefüllt mit zahlreichen Devotionalien und mit einem Baumarkt Plastiktisch versehen, bezeichnen. Habe ich so auch noch nicht gesehen. Wären Tisch und die religiösen Symbole nicht da, könnte es auch ein sehr unaufgeräumter Carport sein, der allerdings dort, in the middle of nowhere, keinen Sinn ergeben würde.

Wie gesagt, der klare Himmel ist tagsüber anstrengend, zumal Korsika wie auch weite Teile Frankreichs aktuell von einer Hitzewelle getroffen werden, nachts ist er ein Segen für die Bilder der Milchstraße. die aktuell abends im Südwesten steht, Die Strukturen, die man in der klaren Luft ohne viel Lichtverschmutzung mit bloßem Auge erkennen kann, sind beeindruckend. Und anders als in Deutschland, wo das Zentrum der Galaxy selbst im Sommer meist nah am Horizont und damit in den Bereichen der größten Lichtverschmutzung steht, steht es hier im Süden sichtbar höher am Himmel. Ein erhebendes Gefühl, eine solch wunderbare Szenerie zu sehen und fotografieren zu dürfen und Entschädigung genug für den eingangs beschriebenen hitzebedingten Brummschädel.

 

PS: Es hat sich herausgestellt, dass ich sich nicht um Probleme mit der Hitze handelte, sondern um einen klassischen Sommervirusinfekt. Leider hat sich auf den noch eine bakterielle Infektion am Fuß draufgesattelt, so dass ich auch noch nach dem ersten Infekt ein paar Tage nicht so konnte, wie ich gerne gewollt hätte. Aber so langsam heilt auch der zweite Infekt aus, so dass ich den Fuß zumindest auf kürzeren Strecken in nicht so schwierigem Terrain wieder belasten kann.