Eine kurze Vorgeschichte
Als ich in den späten 80ern als Jugendlicher meine erste Spiegelreflexkamera geschenkt bekommen habe und im Anschluss daran den Aquarellpinsel zur Seite gelegt habe, um mich nunmehr der Fotografie zu widmen, war als Kit-Objektiv ein Minolta AF 1.7/50mm dabei. Viele Jahrzehnte war das so, ein lichtstarkes "nifty 50" war der Startpunkt. Ein Startpunkt, von dem ich damals schnell weiter wollte, Festbrennweite war zwar lichtstark, aber uncool, ein Zoom sollte es sein. Und so gesellte sich schon recht bald ein 35-105mm Zoom dazu. Lichtschwach aber eben Zoom ... so waren die Zeiten.
In den Jahren danach war eigentlich immer eine 50mm Festbrennweite mit in der Fototasche, nach dem Umstieg zu Nikon in den 90ern eben ein Nikkor 1.8/50mm (AIS, AF-D, AF-S). Diese Objektive waren durchweg gut, kompakt und damit unscheinbar aber irgendwie auch "unsexy". Dennoch habe ich viele Jahre so fotografiert, und mir wurde mehr und mehr bewusst, dass bei der Fotografie von Menschen 50mm und daneben 85mm meine am häufigsten benutzen Brennweiten sind.
Mit Umstieg auf die D850 die kurz danach durch die Z6 ergänzt wurde, ging dann eine gewisse Odysee los. Das AF-S 1.8/50mm war offen und bei Gegenlicht ziemlich anfällig für CA, so dass Motive, die an 24 MP problemlos umsetzbar waren, nur deutlich mehr Nachbearbeitung erforderten zumal ich genau die Gegenlichtsituationen liebe, in denen dieses Objektiv an der D850 und ihren 46 Megapixel nun schwächelte. Kurzum habe ich das Nikon AF-S durch ein Sigma Art 50mm ergänzt, dass an der D850 absolut überzeugte, leider aber an meiner Z6 immer wieder Aussetzer (Blendenfehler, was vielleicht aber auch auf ein Kontaktproblem des Adapters zurückzuführen ist) hatte, so dass ich mir für die Z6 kurzerhand noch das Z 50mm 1.8 S gekauft habe. Dieses Objektiv ist in Sachen Schärfe, Gegenlichtverhalten, chromatischer Abberation wirklich klasse und steht dem Sigma Art 50mm mit Ausnahme der Lichtstärke faktisch in nichts nach. Und dann kündigte Nikon das Z 50mm S mit Lichtstärke 1.2 an ...
Eckdaten
Das neue Z 50mm 1.2 S ist eine Wuchtbrumme bzw. gewichtige Erscheinung. Mit einem klassischen Nifty Fifty hat das Objektiv erstmal wenig gemein, natürlich mit Ausnahme der Brennweite. Mit über einem Kilo Lebendgewicht gehört es eher in die Kampfklasse eines Sigma Art 85mm oder 135mm. Der Filterdurchmesser liegt bei 82mm, was für ein 50er Objektiv eine Ansage ist (Fairerweise sei aber gesagt, dass einige der neuen Z Objektive diesen Filterdurchmesser haben, so dass die Wahrscheinlichkeit durchaus da ist, dass man diese Filtergrößen nicht nur für das 50er kauft). Wie auch die anderen großen Z Objektive hat auch das Z 50mm 1.2 S eine Funktionstaste und einen zweiten Ring (dort wo bei den alten Nikkoren der Blendenring lag) die über das Kameramenü mit unterschiedlichen Funktionen belegt werden können. Der Scharfstellring ist groß, allerdings erfolgt die Scharfstellung nicht mechanisch sondern wird bei Drehung elektronisch übermittelt. Ich habe dein Eindruck, dass das bei diesem Objektiv etwas feinfühliger geht als bei den anderen Z Nikkoren, die ich nutze. Das mag daran liegen, dass die Einstellwege hier etwas weiter sind. Auf dem Objektiv ist ein kleines Display, das Blende und/oder Entfernung mit Tiefenschärfeskala anzeigen kann. Die Verarbeitung ist auf dem gleichen hohen Niveau wie bei den anderen lichtstarken Z Objektiven (z.B. 14-24mm, 70-200mm).
Das Handling an der Z6 und Z7 ist deutlich besser als ich es vermutet habe, nachdem ich das Objektiv zum ersten Mal gesehen habe. Das mag an der Gewichtsverteilung innerhalb des Objektives liegen. Vergleichbar schwere und große Optiken wie die oben erwähnten Sigma Art empfinde ich als deutlich frontlastiger, wozu der zusätzliche FTZ Adapter bei diesen Optiken sicherlich auch noch einmal beiträgt.
Dennoch gilt, mit einem etwas größeren Griff einer vielleicht bald kommenden Z8 oder aber mit dem Batteriegriff für Z6/Z7 wird die ganze Kombination noch einmal austarierter sein.
Schärfe und optische leistung
Das Nikon Z 50mm 1.2 S ist nicht extremste Linse im aktuellen Nikon Lineup. Dort findet sich auch noch das viermal so teure Noctilux, bei dem es so wirkt, als hätte Nikon seinen Ingenieuren einfach mal freie Hand gelassen um ohne Kostenvorgaben zu zeigen, was sie können. Beim Z 50mm 1.2 S hingegen wurde sicherlich ein Kostenrahmen bzw. Preisrahmen abgesteckt, der es den Technikern aber immer noch erlaubte, sich da richtig "auszutoben". Ein 50er Objektiv in der Preisklasse eines Originalhersteller 2.8/70-200mm weckt Erwartungen. Das zweite Nikon Z 50er mit Anfangsblende 1.8 kostet gerade mal ein Viertel und ist ein richtig gelungenes Objektiv.
Wie also schlägt sich das neue Objektiv optisch. Das Wetter über die Weihnachtstage war noch nicht wirklich toll und Bilder von der "Teilfamilie" im Lockdown unterm Tannenbaum möchte ich hier nicht zeigen. Die ersten Eindrücke passen jedoch. Bei Offenblende 1.2 ist das Objektiv an der Z6 in etwa so scharf, wie das 1.8er Z 50mm, was bei der hohen Lichtstärke wirklich eine top Leistung ist. Die Schärfe über das komplette Bildfeld ist gleichmäßig, der Abfall zu den äußersten Rändern ist wirklich sehr gering. Blende 1.2. ist in diesem Fall eine wirklich gut nutzbare Arbeitsblende. Das konnte ich bei einem kurzen Fotoshooting zwischen den Jahren in der Marburger Altstadt überprüfen. Bewusst in die Nachmittagsstunden und damit auch die Zeit um die Dämmerung gelegt, wollte ich mal sehen, wie sich das Objektiv in dieser schwierigen Situation schlägt. Die Kamera stand auf Auto-ISO. Der AF auf automatischer Messfeldwahl und Gesichts-/Augenerkennung. Durch die Schaufensterscheiben mit vielen Reflexen oder die tief in die Stirn reichenden Haare hatte der AF mitunter Probleme, zumindest war das mein subjektiver Eindruck hinter der Kamera. Im nachhinein am Rechner hat sich aber herausgestellt, dass der AF in den weitaus meistens Fällen sicher getroffen hat. Da viele Bilder im Bereich zwischen 1/30-1/40s entstanden sind, waren Unschärfen eher auf die Bewegung des Models zurückzuführen als auf den AF.
Bildanmutung
Da Nikon zwei Z 50er im Programm hat, ist die Frage nach dem Nutzen des 1.2er sicherlich berechtigt, zumal das 1.8er ja ein wirklich tolles Glas ist. Das 1.2er ist nur dann sinnvoll, wenn man es mehrheitlich bei Blenden zwischen 1.2 und etwa 2.0 betreibt. Darüber sind die Unterschiede dann marginal.
Ich habe hier zwei unbearbeitete JPGs aus der Kamera, die direkt nacheinander fotografiert wurden und in Photoshop nebeneinander gesetzt wurden. Das linke Bild mit dem 1.8er, das rechte mit dem 1.2er (jeweils bei Offenblende). Obwohl ich beim linken Bild etwas näher an Jonah war, weshalb er im Bild etwas größer abgebildet ist, ist der Hintergrund etwas schärfer, kontrastreicher und weniger weich. Mit anderen Worten, auch bei etwas größeren Abständen kann 1.2er den Hintergrund etwas weicher auflösen. Auch habe ich den Eindruck, dass der Übergang von der Schärfeebene in die Unscharfbereiche etwas weicher verläuft als bei der 1.8er Variante.
Zudem finde ich Hauttöne und Kontraste etwas gefälliger für Porträts. In Sachen Bildanmutung und Freistellpotential erinnert mich das 1.2er eher an die 85mm Objektive, die ich nutze (Sigma Art 1.4/85mm und Nikon Z 1.8/85mm) als an die von mir bislang genutzten 50er (AIS 1.8/50mm, AF-S 1.8/50mm, Sigma Art 1.4/50mm und Z 1.8/50mm). Die Kombination aus dem 50er Bildwinkel und einem Freistellpotential, das eher an ein 85er erinnert, finde ich eine sehr spannende Kombination.
Bokeh und Gegenlicht Verhalten
Einen solchen Lichtriesen verbindet man sicherlich auch mit dem Wunsch nach einem weichen Bokeh. Bislang waren die Nikon Optiken, die für ein tolles Bokeh bekannt sind (z.B. AF-S 1.4/58mm, AF-S 1.4/85mm, DC-Nikkore) nicht immer auch für eine tolle Schärfe oder das Fehlen von chromatischen Abberationen bekannt. In jüngerer Zeit hat Nikon da aber vor allem mit dem relativ neuen Nikon AF-S 1.4/105mm bewiesen, dass man beides auf hohem Niveau kombinieren kann. Zur Schärfe und den Abberationen habe ich mich ja weiter oben bereits geäußert. Nun zum Bokeh und den Bokehringen: Wie man in den Bildern sehen kann, sind die Ringe in der Mitte rund und bekommen zum Rand hin eine leichte Katzenaugenform. Leicht abgeblendet wird das besser, allerdings haben die Ringe dann leichte erkennbare Kanten. Ein leichtes Zwiebelringmuster in den Ringen ist vor allen Dingen bei den besonders hellen erkennbar, jedoch weniger stark präsent als bei vielen anderen scharfen Optiken, die ich kenne. Schön ist, dass die Ränder der Ringe weich bleiben und weitgehend frei von sehr harten Kanten sind. Das Schaufensterbild oben und erste Versuche in der Natur legen den Schluss nahe, dass auch die Unschärfe im Vordergrund einen angenehmen und nicht unruhigen Look generiert.
Die Menge des im 1.2 verbauten Glases lässt es bei Gegenlicht etwas stärker zu Reflexen neigen als die 1.8er Version, die sich in der Hinsicht sehr gutmütig verhält. Verglichen zu älteren Nikorren wie den AF-S 50ern zeigen die modernen Vergütungen aber ihre Qualität. Mit anderen Worten: es gibt in Sachen Gegenlichtverhalten bessere Nikon Objektive, für eine so lichtstarke Linse mit vielen großen Glasflächen ist das Verhalten aber wirklich richtig gut und gut handhabbar.
Eindrücke im Bild
Fazit
Nikon ist mit dem Z 50 1.2 S in richtig guter Wurf gelungen. Sehr hohe Lichstärker, über das Bildfeld gleichmäßig Schärfe schon bei Offenblende und dabei schöner angenehmer Bildlook, der den 50er Bildwinkel mit hohem Freistellpotential kombiniert. Aber eben auch mit 1090g sehr hohes Gewicht und eine wuchtige Erscheinung, die zudem etwa das Vierfache des Z 50mm 1.8 S kostet.
Landschaftsfotografen, Studiofotografen (die mit den einfarbigen Hintergründen arbeiten), Gegenlichtfans und Familien- und Gelegenheitsfotografen sind mit dem Z 50mm 1.8 S wirklich gut bedient und können das gesparte Geld guten Gewissens in andere Objektive, Reisen ... stecken.
Event- und Hochzeitsfotografen, Fans von maximaler Freistellung und Bokeh-Fetischisten finden sicherlich mit dem Z 50mm 1.2 S ein tolles Objektiv zur Umsetzung der eigenen Bildideen.
Ich persönlich bin der Überzeugung, dass dieses 50mm Objektiv da Zeug dazu hat, in die Liste großer Nikkore eingereiht zu werden. Tolle Schärfe, schöne Bildanmutung, eine Verarbeitung, die über jeden Zweifel erhaben ist und an den Z Kamera präziser AF, der die Blende 1.2 erst wirklich nutzbar macht. Ein Beispiel dafür, dass ein Kompromiss, der unterschiedliche Eigenschaften unter einen Hut bringen soll, richtig toll sein kann.
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